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 Till, 9. Semester Uni Lübeck

 

Wie alt bist du und wo studierst du in welchem Semester Human- bzw. Zahnmedizin?

Ich bin jetzt 26 Jahre alt und komme ins 10. Semester Humanmedizin.

 

Warum hast du dir ausgerechnet diese Uni ausgesucht?

Ich hab mir die Uni ausgesucht, weil ich in Norddeutschland in der Nähe meiner Familie bleiben wollte (aber weit genug weg, damit man nicht ‚gezwungen‘ ist jede Woche hinzufahren). Außerdem fand ich Lübecks Charme und die Größe perfekt für mich, weil ich erstmal nicht in einer riesigen Stadt studieren wollte.

 

Was zeichnet deine Universität und deren Studiengang der Zahn- bzw. Humanmedizin besonders aus?

Die Uni zu Lübeck hat, wie jede andere Fakultät, ihre Stärken und Schwächen, aber insgesamt muss man sie zu den Besten in Deutschland zählen (CHE-Ranking, Erfahrungen von anderen Studierenden, etc.). Die Unileitung achtet sehr darauf, wie die Studierenden am Ende des Semesters die Lehrveranstaltungen evaluieren und setzt auch wirklich die Wünsche um. Es gibt sehr kurze Kommunikationswege bis hoch zum Studiengangsleiter (Dekan an anderen Unis), es gibt eine Dame, die sich um die Kurseinteilung von auch etwas verpeilten Studis wie mich quasi Tag und Nacht kümmert, auch wenn man mal eine Extra(veggie)wurst braucht. Die Lehre ist in der Vorklinik, also bis zum Physikum quasi familiär, die Dozent*innen kennen teilweise die Namen der Studierenden auswendig und unsere Anatomiedozentin ist sogar zum Abschlussgrillen unserer Gruppe gekommen. Natürlich gibt es auch Dozent*innen, die einem nicht immer so wohlgesonnen sind, aber das gibt es auch anderswo und irgendwie braucht es das auch, weil es einen auf eine Art auch weiter bringt mit solchen Menschen umzugehen und man hat natürlich immer großartigen Gesprächsstoff mit seinen Kommiliton*innen über diese Dozierenden.

Insgesamt würde ich der Uni Lübeck für das Studium eine 8,5/10 geben.

 

Wenn du dich an den Studienbeginn erinnerst: Was war besonders schwer, bzw. besonders unangenehm?

Zu Beginn meines Studiums war irgendwie zu viel neu. Die Stadt, das Lernen, die Menschen, die Wohnung.. Da fällt es schwer den Überblick zu behalten. Das ist aber alles ganz normal. Man kommt irgendwann rein, man findet seinen Lernrhythmus und man versteht, dass alle dieselben Probleme haben, da braucht sich niemand was vormachen. Aber egal, wem man das am Anfang erzählt, erstmal wird jeder kopflos rumrennen. Das legt sich aber und ich hatte in Lübeck einen recht kleinen Studiengang, da hat man schnell die 5 Leute gefunden, mit denen man am besten klarkommt und die immer noch meine Freund*innen sind.

 

Wie gut oder schlecht war bei dir die Lehre in den Anfängen der Corona-Zeit organisiert?

Über die Corona-Zeit hat die Lehre natürlich leider sehr abgebaut. Ebenso wie die Schüler*innen sind wir Studierende eine sträflich vernachlässigte Gruppe. Gerade in der Zeit, zu der es bei mir viel Präsenzlehre gegeben hätte, gab es nur Onlineseminare oder die Sachen sind ersatzlos gestrichen worden. Auch war die Online-Lehre nicht immer top, die Lerninhalte wurden zu spät oder gar nicht erst hochgeladen und es wurde lange an Präsenzklausuren festgehalten, bis dann ein Gesetz Online-Klausuren vorschrieb, was zu erwarteten Problemen geführt hat in der kurzfristigen Umstellung auf Letztere. Die erforderlichen Praktika (Famulaturen) wurden mir kurzfristig abgesagt und waren zeitweise gar nicht möglich..

Inzwischen geben sich aber viele Lehrende Mühe und auch für die Klausuren wurde ein faires Konzept entwickelt. Einige Sachen wurden natürlich auch besser, weil die Vorlesungen aufgezeichnet wurden und werden, nichtsdestotrotz ist es für alle Beteiligten keine einfache Zeit.

Der Uni würde ich eine 4/10 für das Handling mit der ‚Corona-Situation‘ geben.

 

Hast du schon einen Plan für den weiteren Studienverlauf?

Da es ja schon eher Richtung Ende meines Studiums geht, hab ich natürlich grobe Vorstellungen, wie es weitergehen soll. Aktuell schreibe ich an meiner (neurologischen) Promotion, möchte aber wohl als Assistenzarzt in der Anästhesie beginnen und schnellstmöglich Notarzt werden. An der Uni gibt es ein Wahlfach bei dem man auf dem Notarztwagen mitfahren darf (12 Stunden mindestens 15x im Jahr) und das macht natürlich irre viel Spaß, weil man einfach direkt dabei ist. Auch die Famulaturen in der Anästhesie haben viel Spaß gemacht, deswegen bin ich da ein wenig festgefahren. Ein Auslandssemester hätte ich gern gemacht, das ist aber ins Wasser gefallen wegen (oh Wunder) Corona. Meine Freundin (Intensivpflegekraft) und ich wollen nochmal nach Hamburg nach meinem Studium und dort arbeiten, aber an sich können wir uns langfristig am ehesten Lübeck zum Arbeiten und Wohnen vorstellen.

 

Wie ist das Studentenleben in deiner Stadt? Wie teuer ist das Wohnen und die Lebenshaltung? Gibt es hier besondere Tipps?

Das Studentenleben kann natürlich nicht mit Hamburg mithalten (muss es aber auch nicht, wir haben ein Semesterticket, das uns jederzeit nach Hamburg bringt). Die Clubszene ist hier fast nicht existent und hat natürlich gelitten in den letzten Jahren. Kneipen, Bars, Sportvereine und Freizeitmöglichkeiten (Kanu fahren auf der Trave, an die Ostsee fahren) gibt es hier aber wirklich genügend und andere Studierende wohnen ja meist nicht weit weg, weil Lübeck einfach nicht so groß ist. Man kommt also immer und überall mit dem Fahrrad hin.

Das Thema Wohnen ist immer schwierig.. Es ist auch in Lübeck für eine schöne Lage nicht ganz billig. Ich habe quasi alle Wohnformen hinter mir und kann mal einen Überblick geben, die Preise sind mit Nebenkosten, Strom und Internet:

-Wohnheim, 18 m2 mit Bad und Pantryküche 330€, 3 min zur Uni, 15 min in die Innenstadt (die Uni ist etwa 12-15 min mit dem Fahrrad von der Innenstadt entfernt)

-Einzimmerwohnung in der Innenstadt 22 m2 mit Küche und Bad 370€, 15 min zur Uni

-WG-Zimmer 20 m2 mit Küche und Wohnzimmer in der Innenstadt 450€ (mein Kumpel hat deutlich mehr gezahlt als ich, deswegen konnten wir uns das leisten), 12 min zur Uni

-WG-Zimmer 17m2 mit Küche und Balkon etwas ’stadtaußerhalb‘ 330€, 7 min in die Innenstadt, 20-25 min zur Uni

-jetzt mit meiner Freundin gemeinsam in einer Maisonette-Wohnung in der Innenstadt, insg. 70m2 ca. 470€, 15 min zur Uni

Tipps zur Wohnsituation sind schwer zu geben.. Macht das, womit ihr euch am wohlsten fühlt. Ich hatte immer sehr viel Glück, weil ich die Wohnungen bekommen habe nachdem ich mir nur 1-2  angeguckt habe. Bei den WGs: Probiert persönlich hinzugehen, macht einen besseren Eindruck und ihr gewinnt ein besseres Bild von der WG-Dynamik. Wenn ihr eine Zusage bekommt, euch aber nicht wohl gefühlt habt: Keine Scheu auch selber abzusagen. Ihr müsst da für euer Studium wohnen und ihr sollt euch wohlfühlen, da muss man zwar auch mal Kompromisse eingehen, aber sich selbst oder die Prioritäten nicht aufopfern. Und als letztes: Nicht unterkriegen lassen, wenn man keine Antwort auf eine nette WG-Bewerbung bekommt. Probiert es weiter und ihr werdet euren Platz finden! Bisher hat hier jede*r, die/der was gesucht hat auch was gefunden.

 

Wie und wo vertreibst du dir deine freie Zeit, wenn mal welche übrig ist? Was sollte man in deiner Studentenstadt nicht verpassen?

Ich vertreibe mir meine Zeit in Lübeck gern mit Tennisspielen, ich hab hier einen super neuen Verein gefunden, was gar nicht so nebensächlich ist, weil es dort nicht um das Studium geht. Da hab ich Freunde verschiedenen Alters und aus verschiedenen Berufen. Manchmal muss man aufpassen, dass man nicht zu sehr in die ‚Medizin-Bubble‘ abdriftet.. Als Ersti kriegt man das gewöhnlich nicht so gut hin, aber das Bedürfnis kommt dann irgendwann im Verlauf. Ich verbringe gern Zeit mit meinen Freund*innen, gehe Volleyball spielen im Sommer, Spazieren an der Ostsee mit meiner Freundin und ich gehe natürlich sehr sehr sehr gern ein, zwei oder gaaaanz vielleicht auch mehr Bier trinken, sofern das die Maßnahmen zulassen.

 

Gibt’s noch weitere Dinge, die du angehenden Medizinstudenten und Studienanfängern gern mit auf den Weg geben würdest?

Was kann ich jetzt noch angehenden Studis mitgeben? Ich glaube, die aller wichtigsten Sachen sind: Haltet durch auf eurem Weg zum Studium und wenn ihr es geschafft habt, behaltet meine Worte im Hinterkopf: Alle haben dieselben Probleme. Niemand ist was besseres, weil sie/er schon was weiß oder gemacht hat, alle sind verunsichert und probieren das im Zweifel nur zu vertuschen und ganz wichtig: Sprecht mit Leuten/ miteinander, vielleicht auch welchen, die mehr Erfahrung haben als ihr. Fragt nach Hilfe (das ist keine Schande und das werdet ihr gerade zu Beginn in eurem Beruf mehr als genug machen müssen!), aber lasst euch nicht unterkriegen.. Wenn ich es geschafft habe, schafft ihr es auch!